kr-one Architektur und Baukultur

TEXT: ESTHER JANSEN

Seinerzeit war die Bauhaus-Bewegung revolutionär: Eine Zusammenführung von Kunst und Handwerk mit dem Ziel, die Grenze zwischen kreativer Energie und praktischer Umsetzung aufzuheben. Die führenden Bauhaus-Visionäre Walter Gropius, Hannes Meyer und Ludwig Mies van der Rohe prägten ab den 1920er Jahren ein völliges Umdenken und Neu-Erfinden der Künste. Ihre Bauten gelten heute noch als zeitlos, modern. Doch inwiefern lässt sich der Fortschritt der Vergangenheit tatsächlich in die Jetztzeit transferieren? Ist Bauhaus heute noch zeitgemäß? Und wo finden wir die Spuren der neuen Sachlichkeit? Gemeinsam mit dem Krefelder Architekten Georg von Houwald sind wir diesen Fragen nachgegangen.

Die Bauhaus-Schule - kurzlebig und doch einflussreich

Die 1919 von Walter Gropius in Weimar gegründete Bauhaus-Schule bestand nur 14 Jahre lang. In dieser kurzen Zeit bildete sich jedoch eine der einflussreichsten ästhetischen Lehren des 20. Jahrhunderts. Ziel der Beteiligten war es, eine völlig neue Formsprache zu erfinden -von der Typografie und Malerei über die Textil- und Möbelgestaltung bis hin zur Architektur. Den Namen „Bauhaus" wählte Gropius bezugnehmend auf die im Mittelalter üblichen Bauhütten, in denen stets mehrere Gewerke neben- und miteinander arbeiteten. So sollten in seiner Schule verschiedene Disziplinen gelehrt werden, um ein tiefgehendes Verständnis für das Handwerk und den Zusammenhang aller Einflüsse auf das Endprodukt zu schaffen. Jeder der Meister verfolgte einen eigenen Fokus, basierend auf der Denkschule der neuen Sachlichkeit. Das Ziel eines Walter Gropius beispielsweise war kostensparendes Bauen, während Mies van der Rohe die Grenzüberschreitung zwischen Innen- und Außenraum anstrebte. Einzig der Funktionalismus ihrer Bauten, die schnörkellose reduzierte Gestaltungsweise kann als Gemeinsamkeit der verschiedenen Architekten genannt werden.

Neue Sachlichkeit heute: Wo finden wir modernes Bauhaus?

Ganz im Sinne der alten Bauhaus-Väter zu arbeiten, ist den Architekten unserer Zeit aus verschiedenen Gründen nicht mehr möglich. Zum einen ist eine Lehre, die ideell so stark an ihre Epoche gebunden ist wie die Bauhaus-Schule, nicht authentisch in die heutige Zeittransponierbar. Zum anderen stellt unsere Zeit völlig andere Ansprüche an Architekten als das frühe 20. Jahrhundert. "Wer heute in Anlehnung an die Stilistik eines Bauhaus-Architekten arbeiten möchte, muss das Projekt ganz anders angehen, als es damals noch gemacht wurde. Heute steckt richtig viel Technologie hinter solchen Bauten. Damals wurde einfach umgesetzt, ohne die Haltbarkeit der Ergebnisse zu garantieren oder auf die Energiebilanz zu achten. Das geht jetzt natürlich nicht mehr. Energiesparendes Bauen ist heute verpflichtend für uns. Wir verfügen dafür aber auch über ganz andere materielle Möglichkeiten", erläutert Georg von Houwald, der für die umfangreichen Umbauarbeiten am Mies van der Rohe Business Park verantwortlich ist. Einige Denkansätze des Bauhaus seien allerdings in die heutige Zeit transferiert worden: Purismus und Minimalismus zum Beispiel. Der Minimalismus in der Architektur wurde unter anderem durch Ludwig Mies van der Rohe geprägt und zeichnet sich durch eine zweckmäßige, reduzierte Formsprache aus. Minimalistische Gebäude sind oft kubisch angelegt, was eine sehr klare und großzügige Raum struktur ermöglicht. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von „Formreinheit" und „,Geometrismus. Ab den 1960ern wurde das Konzept des Minimalismus um die Idee des Purismus ergänzt, der für eine extreme ästhetische Reduktion aller gestalterischen Mittel in Architektur, Kunst und Design steht. Vor allem stark reduzierte geometrische Formen und wenige, möglichst nüchterne Farben prägen diese Stilrichtung.

"Dieser reduzierte Stil, der mit der Bauhauszeit aufkam, ist immer noch sehr beliebt bei vielen modernen Architekten", erzählt von Houwald. „Mein Team und ich zum Beispiel sind Puristen. Wir versuchen so wenig Materialien wie möglich zu verwenden und reduzieren alle sichtbaren Übergänge auf das Wesentliche. Die aufwändigen Details, die dahinterstecken, sieht man nicht. Ein gutes Detail ist unsichtbar. Das ist aber wirklich nur durch modernste bauliche Hilfsmittel zu erreichen. Dadurch baut man aber am Ende auch kostspieliger." Was in den 20er bis späten 40er Jahren noch für das Arbeitervolk gedacht war und entsprechend finanziell zugänglich sein sollte, ist heute einer gut betuchten Oberschicht vorenthalten. Wer es sich leisten kann, dem öffnet sich allerdings eine Vielzahl an Möglichkeiten. Eine Verschmelzung von Innen- und Außenraum wie sie Mies van der Rohe einst anstrebte, kann Georg von Houwald heute perfektionieren. Sowohl in seinem eigenen Wohn- und Arbeitshaus als auch für einige Kunden im Raum Krefeld konnte von Houwald diese räumliche Offenheit zwischen draußen und drinnen eindrucksvoll umsetzen. Riesige Glasfronten ohne sichtbaren Rahmen und gekonnt gesetzte Durchbrüche in den Wänden, die überraschende Blickachsen eröffnen, erschaffen in den Gebäuden eine enorme Durchlässigkeit.

Avantgardistisch ist der Mies'sche Baustil heute nicht mehr, doch seine Generation hat die moderne Baukunst nachhaltig beeinflusst und zur Entwicklung neuer gestalterischer Ansätze beigetragen, die heute unser räumliches Umfeld prägen. Was seinerzeit erst verstanden und akzeptiert werden musste, gilt heute als erstrebenswert und schick. Ob man reduzierte moderne Bauformen nun als „Nachkommen des Bauhaus" bezeichnen möchte, hängt davon ab, ob der Terminus eine rein optische oder auch eine ideelle Verwandtschaft meinen soll. Wer erstere als ausreichend erachtet, um von einer stilistischen Deszendenz zu sprechen, findet - nicht nur in Krefeld - vielerorts eindrückliche bauliche Beispiele.

Mehr über Georg v. Houwald: www.houwald.de, www.mies-van-der-rohe.com